Hej!
Willkommen und Danke für dein Interesse!
Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das mir schon länger
durch den Kopf geht….und ich muss einfach etwas dazu beitragen...
Im psychotherapeutischen Kontext, und nicht nur dort, bezeichnet man
Menschen mit ganz besonders stark ausgeprägten und akzentuierten
Charakterzügen auch als Menschen mit Persönlichkeitsstörungen.
Nun macht uns nicht jeder besonders auffällige Charakterzug zu
einer Person mit Persönlichkeitsstörung!
Ich störe mich sowieso an dem Begriff der „Persönlichkeitsstörung“,
aber dazu später mehr….. 😉
Kennzeichnend ist allerdings, dass Menschen mit PS entweder einen
enormen Leidensdruck in vielen Lebensbereichen haben oder
permanent in Konflikte verwickelt sind, und/oder keine befriedigenden
Beziehungen (er-)leben können.
Und dabei sieht es von außen betrachtet oft anders aus, als es
möglicherweise von Betroffenen selbst empfunden wird.
Warum ist das überhaupt so wichtig?
Für Therapie und Beratung ist es eine Hilfe zu wissen, wie sich eine
Persönlichkeitsstörung darstellen kann, und jede PS hat ihre eigene
internationale Klassifikation…..
Es gibt also Kriterien, die zutreffen, und die dann aus Menschen
„Menschen mit Persönlichkeitsstörungen“ machen.
Also ein Mensch hat eine gestörte Persönlichkeit? Und jetzt?
Ein Mensch ist ein Mensch, ist ein Mensch…..mit allem, was zu ihm gehört,
und mit allem, was ihn ausmacht!
Wer sollte beurteilen dürfen, ob ein Mensch gestört ist?
Wenn ein körperliches Organ erkrankt ist oder Blutwerte nicht der Norm
entsprechen, können wir das messen und vergleichen.
Es gibt heute viele nachvollziehbare Möglichkeiten der Objektivierung
und der Feststellbarkeit in Bezug auf körperliche Erkrankungen.
Aber wie ist das mit unserer Psyche?
Es gibt Klassifizierungen….wer klassifiziert - und wer wird von wem
klassifiziert, bewertet, beurteilt, einsortiert?
Das nur mal nebenbei zum Nachdenken…denn alles sehen wir durch
unsere eigene individuelle Brille, vergleichen wir mit unserem eigenen
Wertesystem und unserer eigenen „Normalität“…..
Warum spielen Persönlichkeitsstörungen, besonders die narzisstische,
heute aber scheinbar eine immer größere Rolle?
Fachzeitschriften befassen sich oft mit diesem Thema und auf youtube
können wir alles finden und stellen fest, dass Videos mehr als
hunderttausendmal geklickt werden….unser Interesse ist scheinbar groß!
Auch in meiner Praxis spielt dieses Thema eine immer größere Rolle….
und ich frage mich, warum ist das so?
Gibt es heute mehr Narzissten als früher?
Wer ist Donald Trump, oder was ist er?
Ich habe schon länger darüber nachgedacht und mir sind ein paar
Gedanken dazu gekommen, die ich gern mit dir teilen möchte:
Durch Donald Trump und seine (Selbst-)Darstellung wurden Diskussionen
über seine Persönlichkeit angeregt:
Merkmale gefunden, Erklärungsversuche gestartet, Enttäuschungen
und Kränkungen erlebt, Kritik geübt, Rachegefühle entwickelt,
Chaos befürchtet… und weitere Versuche gestartet, ihn zu kategorisieren,
ihn einzuordnen um Klarheit über seine Person zu bekommen.
Denn Klarheit bedeutet für uns auch allzu oft Sicherheit.
Wenn klar ist, wer eine gestörte Persönlichkeit hat, weil er auf
bestimmte Art und Weise lebt und sich verhält, dann scheint ja fast
alles klar……und wenn dann noch viele dieser Auffassung sind oder
diese Ansicht teilen….dann kann man doch nur Recht haben, oder?
Gibt uns das Sicherheit?
Und dann fallen uns Menschen ein, die ähnliche Wesensmerkmal haben…..
....das sind dann bestimmt auch Narzissten, oder?
Tut mir leid, wenn das jetzt ein bisschen billig klingt, aber wir werden
einfach zur Zeit immer aufmerksamer und sensibler,
wenn es um Narzissmus geht…..
Und Narzissten sind böse! Sie sind gestört, beuten aus, sind nicht
einfühlsam, denken nur an sich, wollen Macht haben, leben auf Kosten
anderer und missachten den Nächsten, Achtung und Respekt sind
Fremdwörter…..und es würde uns bestimmt noch mehr einfallen…..
Fast vergessen wir eines dabei:
Was wird in uns ausgelöst durch Menschen, die sich in unseren Augen
narzisstisch verhalten?
Stören sie unser Wohlbefinden? Unsere Komfortzone?
Unser Sicherheitsgefühl? Fordern sie uns heraus, uns zu positionieren?
Oder vielleicht meinen wir noch, wir müssten das alles ertragen?
Tatsächlich glaube ich, dass dies ein zentraler Punkt
an der Narzissmus Thematik ist:
Wir dürfen uns damit auseinandersetzen und uns fragen, was diese
Menschen in uns auslösen und wie wir damit umgehen, welche
Assoziationen wir damit verbinden und überhaupt,
was das alles mit uns zu tun hat?????
Vielleicht ist es auch ganz anders:
Wir erkennen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und dann ist ja klar,
wer hier gestört ist und mit allem falsch liegt….taraaaa: da haben wir ihn ,
den Schuldigen! Und wir sind fein raus….:uns ist Unrecht geschehen und jetzt
fordern wir Gerechtigkeit! Rache ist Blutwurst 😉
Aber: Auch wenn wir die ganze Welt davon überzeugen können…..und
uns jeder Recht gibt,…..wir kommen an uns selbst nicht vorbei….
Unser Schmerz bleibt:
Der Schmerz, Unrecht erlitten zu haben, gedemütigt worden zu sein,
geglaubt zu haben, nichts wert zu sein oder noch besser werden zu
müssen, der Schmerz, sich abhängig gefühlt zu haben, der Schmerz,
sich so geschämt zu haben, so falsch und wertlos zu sein, so manipulierbar
zu sein…..und wie war es anders zu erwarten?
Wir sind wieder bei uns angekommen….bei dem, was Menschen
in uns auslösen….
Wie wäre es, wir würden uns weniger mit den narzisstischen
Persönlichkeiten beschäftigen, sondern mit dem, was sie in uns auslösen?
Mit den alten Wunden, die sie aufreißen oder mit der Selbstfürsorge,
die wir im Umgang mit ihnen brauchen?
Oder wir fragen uns, warum wir es nicht schaffen, Grenzen zu setzen?
Warum wir uns manipulieren lassen?
Was hat das Verhalten dieses Menschen mit mir zu tun?
Wie will ich damit umgehen? Was will ich, und was steht mir tatsächlich
auch als Mensch zu? Was bin ich mir denn wert?
Neulich hörte ich einen tollen Satz ( dabei ging es um die Beziehung
zwischen Hund und Mensch, und warum ein Hund nicht tut, was er soll):
Weil er es kann!
Wir, du und ich, lassen zu…..wir leisten bewusst und unbewusst
einen Beitrag!
Auch noch interessante Fragen:
Was trage ich selbst dazu bei, dass Menschen sich mir gegenüber
so verhalten? Was kommuniziere ich bewusst, oder unbewusst?
Was strahle ich aus und was lasse ich zu?
Und was will ich nicht mehr zulassen, was will ich ändern?
Mein Fazit:
Das Leiden unter oder an narzisstischen Menschen ist ein nicht zu
unterschätzender Gesichtspunkt und verdient die nötige Aufmerksamkeit,
Fürsorge, Trost und Heilung! Die Folgen wiegen oft sehr schwer und haben
vieles in Betroffenen zerstört….
Trotzdem ist es mir wichtig, auch diese Menschen nicht als „gestört“
zu betrachten, denn auch im Narzisstischen gibt es wundervolle Stärken
zu finden, wenn man offen ist und sich traut, mehr zu sehen…..
Es ist mir ein großes Anliegen, keinen Menschen zu verurteilen.
Jeder Mensch ist einzigartig, hat Prägung erlebt, Erfahrungen gesammelt
und sich entwickelt.
Wer sind wir denn, dass wir unseren Nächsten verurteilen könnten?
„Wer von euch noch nie gesündigt hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!“
Die Bibel, Joh. 8,7
Zum „Menschsein“ gehören auch Störungen….und die können ganz
vielfältig aussehen….und trotzdem: Geliebt und gewollt!
Wunderbar und einzigartig! Unser Blickwinkel entscheidet!
In diesem Sinne und vielen Dank fürs Lesen!
MONika Wenk
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S. (Freitag, 12 Juli 2019 08:57)
Liebe Moni! Du hast Dir wirklich viele Gedanken gemacht, Erklärungen gefunden und den Nagel auf den Kopf getroffen ! Wir alle sind schnell dabei, DEN anderen zu verurteilen, zu beschuldigen .... dann sind wir Opfer und ohnmächtig ....
Eine Rolle, die wir gut kennen und auf der sich viel zu oft ausgeruht wird!
Ich glaube auch, dass wir in einem „narzisstischem“ Gegenüber oft einen Spiegel vorgehalten bekommen und ein bisschen Öl in eine Wunde von uns gelegt wird!
Es ist allerdings nicht immer so einfach das zu erkennen und es kann schmerzhaft sein, zu erfahren, dass man selbst zu diesen „Störungen“ neigt! Aber wenn man es zulässt, ist es heilsam !
Dir ein schönes Wochenende